Im hellen Nachmittagslicht wanderten wir die blühende Matte hinab zur Halbinsel Chasté, einem bewaldeten Granitbuckel, der in den Silser See hinausragt. Beim Felsen, wo Nietzsches Trunkenes Lied eingraviert ist, das auf die Zeilen endet: „denn alle Lust will Ewigkeit/ tiefe, tiefe Ewigkeit“, setzten wir uns auf die Holzbank. Weiterlesen
Reiseberichte
Die Reise nach Niederbipp
Was tut man an einem 11. November?
Man geht zum Bahnhof, löst eine Fahrkarte und steigt in den Zug. In Niederbipp steigt man wieder aus und inspiziert als erstes den Bahnhof-Kiosk.
Denn dieser Kiosk ist die Nabe der vier Amreiner-Romane von Gerhard Meier, ohne dass er darin je erwähnt würde. Hingegen kommt er in Das dunkle Fest des Lebens ausführlich zur Sprache, in den Gesprächen, die Werner Morlang mit dem Schriftsteller geführt hatte. Weiterlesen
Monets Garten
Gibt es etwas Phantasieloseres, als Monets Garten und Haus in Giverny zu besuchen, Magnet ganzer Touristenhorden? Und dann die Seerosen, mein Gott, wer kann sie noch sehen? Monet ist doch passé, was die Kunst angeht. Der Impressionismus perfekt, um an den Auktionen Höchstpreise zu erzielen. Trotzdem sind wir hingegangen. Trotzdem hat es sich gelohnt. Trotzdem war es ein Erlebnis. Weiterlesen
Lebe schnell, sterbe jung
Wir kamen an einem sonnigen Nachmittag nach Swansea.
Die Stadtmitte sah so aus, als hätte sie ihren Platz mit der Peripherie vertauscht: Reizlose Betonklötze, Shopping-Malls und ein Busparkplatz so groß wie ein Fußballfeld mit gelben Karos darauf.
Ich habe mir diese „windzerfahrene Stadt“ viel mehr von gestern vorgestellt, lange schattige Häuserzeilen aus dem 19. Jahrhundert, die sich den Hang hochwinden, altes Kopfsteinpflaster, dunkle Pubs und Läden, in denen Sachen angeboten werden, die anderenorts schon vor zwanzig Jahren aus den Regalen verschwunden sind.
Im 2. Weltkrieg war das Zentrum von den Deutschen zerbombt worden, in den neunziger Jahren folgte der Niedergang der Eisen- und Kohleindustrie. Damit war das Schicksal des Hafens besiegelt. Weiterlesen
Unter den Passatwinden
Nach dem Frühstück fuhren wir los, über die Hochebene westlich von Lannion. Richtung Morlaix. Eine Weile führte die Straße der Küste entlang, die grüne Wasseroberfläche war vom Regen grau schraffiert. Bei Sainte-Sève zweigten wir auf die D785 ab, ins Landesinnere, nach Huelgoat. Eine schmale Landstraße. Felder und Wiesen abgesoffen im Nebel und Regen. Düstere Granithäuser. Die Wälder bestanden aus Laub und Feuchtigkeit.
Wir waren unterwegs zum Grab eines der frühen Vertreter intellektueller Vagabunden, in dessen Adern mehr als nur drei Tropfen heidnisches Blut floss. Passatwinde, Meeresengen und Gebirgspässe waren sein Lebensinhalt. Weiterlesen
Der Wind der Straße
Als ich für ein paar Monate nach Berlin fuhr, hatte ich zwei Bücher des schottischen Reisenden und Schriftstellers Kenneth White im Gepäck. Im Zug las ich Der blaue Weg. Eine Reise nach Labrador. „Vielleicht ist die Idee die, soweit wie möglich zu gehen bis ans Ende deiner Selbst – bis zu einem Territorium, wo die Zeit Raum wird, wo die Dinge in ihrer ganzen Nacktheit erscheinen und der Wind weht, anonym.“ Das waren neue, für mein Ohr ungewohnte Töne. Ich hatte plötzlich den Wunsch, weiterzureisen. Dieser ungeheuer weite Raum von Labrador, sein Atem, weckte in mir den Wunsch, weiter zu gehen, immer weiter. Ich fuhr dann doch nach Berlin. Weiterlesen
Wer alt werden will, muss nach Asien reisen
„Ins Unbekannte hinausziehen, das ist neues Leben. Alles ist Wiederbeginn, ich weiß nicht, was vor mir liegt.“ Ella Maillart
An einem strahlenden Septembermorgen kamen wir über den Furkapass. Das Wallis dehnte sich vor uns aus. Blaue Bergflanken, weiße Spitzen, Granit.
Wir sahen die Nadelkurven der Passstraße hinunter ins Tal, rechts davon der schwindsüchtige Rhônegletscher. Es folgte das satte Grün des Obergoms, weidende Kühe, dunkle Holzhäuser auf pilzartigen Steinsockeln. Bei Sierre hätten wir um ein Haar die Abbiegung ins Val d’Anniviers verpasst. Eine enge Straße führte am bewaldeten Westhang des Illhorns in eine Höhe von Zweitausend Metern über Meer. Dort liegt Chandolin auf einer schmalen, abschüssigen Terrasse.
Wir gingen zum alten Teil des Dorfes hinunter. Die Kapelle Sainte-Barbe ist jetzt ein Museum, in Erinnerung an Ella Maillart, einer der mutigsten Frauen in der Literatur. Weiterlesen
Buddhas lebendige Fresken

Die staubige Piste führte durch den Sutlej-Canyon nach Tsaparang. Die Wände des Canyons sahen wie Reihen von Mönchen aus, die sich in Steinstatuen verwandelt hatten und nun langsam verwittern.
A. entdeckte den Berg mit den Ruinen als erste. Ein gigantischer Felsen, der wie ein gestrandeter Riesendampfer in der wüstenähnlichen Landschaft steht.
Man konnte die Ruinen fast nicht vom Fels unterscheiden, sie waren Teil der bröckligen Berghänge geworden. Einzig die beiden Tempel auf halber Höhe und der Palast ganz oben auf der Kuppe waren noch intakt und hoben sich klar vom Felsen ab. Es gab dunkle Löcher, Höhlen, in denen die einfachen Leute gelebt hatten. Jahrhunderte später fand man darin die Gebeine von tausenden von Toten. Weiterlesen
Die Küste entlang
„Wieder habe ich diese klare, lebhafte Empfindung von der Küste. Ein erster Ort. Die nackte Schönheit von allem.“
Kenneth White
Der schottische Schriftsteller und Reisende Kenneth White lebt seit vielen Jahren an der Côtes-du-Nord der Bretagne, also ungefähr in der Mitte zwischen den Hebriden und Portugal. Er ist ein kosmopoetischer Nomade, ein solitärer Wanderer, der eine Wind- und Wellen-Philosophie praktiziert. Was zählt, ist der Raum, der Weg, die Bewegung.
„Nennen sie mich Ismael, einen intellektuellen Nomaden.“ Weiterlesen
Unter dem Berg des Donnergottes
Wir fahren die kurvige Straße hinab. Der Beaume entlang. Das Flussbett ist voller Steine und Felsbrocken. Kastanienwälder die Berghänge hinauf. Auf kleinen Wiesen stehen einsame Häuser aus Granit. Nach so einem Haus suchen wir.
– Hier muss es sein, sagt A. Sie stoppt den Wagen. Wir steigen aus und gehen den Weg zum Steg hinunter, der über den Fluss führt.
Dass wir das Tal wieder ein Stück hinab gefahren sind, durch das wir gestern hochgekommen waren, irritiert mich. Ich habe mir vorgestellt, Gourgounel liege nach Valgorge, rechts vom Fluss und der Tanargue im Süden. Tatsächlich ist es genau umgekehrt. Eine Gegend, die man von der Lektüre her kennt, besucht man nicht ohne Folgen. Sie berichtigt rücksichtslos die Bilder, die man sich von ihr beim Lesen gemacht hat. Geographische Kenntnisse helfen ein Buch besser zu verstehen, sie vertiefen die Lektüre, passt man nicht auf, werden die Bilder zerstört, die man sich beim Lesen gemacht hat. Weiterlesen
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