Die bisexuelle Weltkarte

„Aber ich wollte nicht nur weg.
Ich wollte auch wohin.
Ich wollte in die Welt.
Europa war mir kaum groß genug.
Der Äquator war meine Welt.
Ich war den Afrikanern verwandt, den Lappen, den Mizteken.
Lockstedt war nicht meine Welt.
Ich komme von weither.“

Diese Zeilen aus Hotel Garni (dem ersten Band von Die Geschichte der Empfindlichkeit) umreißen ein ganzes Leben, das Leben des Reisenden und Ethnopoeten Hubert Fichte. Er war „ein Entdeckungsfahrer ins Gebiet des Aberglaubens und der Geisterbeschwörung“ und bewegte sich auf der Grenzlinie zwischen magischer Realität und Tourismus. Er ging Mystifikationen und Riten nach, dabei hielt er sich nicht an die gängigen wissenschaftlichen Methoden, sondern entwickelte eigene Vorgehensweisen. Weiterlesen

Der Leuchtturm

Olhaõ liegt ungefähr dreißig Kilometer westlich der Mündung des Guadinanas, dem Fluss, der im Süden Portugal von Spanien trennt. Eine weite, grau schimmernde Lagune schirmt das Städtchen gegen das offene Meer ab. Weit draußen im Haff steht der Leuchtturm. Am Rand des Städtchens gab es eine Fischfabrik. Manchmal war der Gestank so penetrant, dass es einem übel davon wurde.
Aufgrund einer Postkarte, die ich in einem Souvenirladen in Lissabon fand, stellte ich mir Olhaõ als maurisches Städtchen vor, leuchtend weiß, verschachtelt und verwinkelt, mit würfelförmigen Bauten, geheimnisvollen Treppen, Innenhöfen, Dachterrassen und runden Kaminen, die Minaretten gleichen.
Zu meiner Enttäuschung sah Olhaõ nicht besonders maurisch aus. Weiterlesen

Lisbon revisited

lissabon_2013
Auf dem Rossío in Lissabon

„Baixa“, „Bairro Alto“, „Chiado“, „Rossío“, „Terçeiro do Paço“, “Alfama”, “Praça dos Restauradores” – jeder Tourist kennt mittlerweile die Namen der Plätze und Quartiere Lissabons. Für mich haben sie immer noch den magischen Klang, dem ich vor vielen Jahren verfallen bin, ja, in ihrem Klang versteckt sich die Essenz Lissabons. Ich spreche sie leise vor mich hin und imitiere dabei den weichen, nasalen Tonfall der Portugiesen. Seltsamerweise ist es der Klang der Sprache, der mir die Wirklichkeit der Stadt näher bringt und mich an jenes Lissabon erinnert, das ich im Herbst 1978 zum ersten Mal besucht habe.
Im Museum der modernen Poesie, eines der ersten Bücher, das ich in meiner Buchhändlerlehre kaufte, stieß ich auf das Gedicht Lisbon Revisited von Fernando Pessoa. Es brachte mir die Stadt am Atlantik in die Schweizer Berge. Ich spürte den Wind, der vom Meer herkam. Weiterlesen