Der Wind der Straße

Als ich für ein paar Monate nach Berlin fuhr, hatte ich zwei Bücher des schottischen Reisenden und Schriftstellers Kenneth White im Gepäck. Im Zug las ich Der blaue Weg. Eine Reise nach Labrador. „Vielleicht ist die Idee die, soweit wie möglich zu gehen bis ans Ende deiner Selbst – bis zu einem Territorium, wo die Zeit Raum wird, wo die Dinge in ihrer ganzen Nacktheit erscheinen und der Wind weht, anonym.“ Das waren neue, für mein Ohr ungewohnte Töne. Ich hatte plötzlich den Wunsch, weiterzureisen. Dieser ungeheuer weite Raum von Labrador, sein Atem, weckte in mir den Wunsch, weiter zu gehen, immer weiter. Ich fuhr dann doch nach Berlin. Weiterlesen

Wer alt werden will, muss nach Asien reisen

„Ins Unbekannte hinausziehen, das ist neues Leben. Alles ist Wiederbeginn, ich weiß nicht, was vor mir liegt.“ Ella Maillart

An einem strahlenden Septembermorgen kamen wir über den Furkapass. Das Wallis dehnte sich vor uns aus. Blaue Bergflanken, weiße Spitzen, Granit.
Wir sahen die Nadelkurven der Passstraße hinunter ins Tal, rechts davon der schwindsüchtige Rhônegletscher. Es folgte das satte Grün des Obergoms, weidende Kühe, dunkle Holzhäuser auf pilzartigen Steinsockeln. Bei Sierre hätten wir um ein Haar die Abbiegung ins Val d’Anniviers verpasst. Eine enge Straße führte am bewaldeten Westhang des Illhorns in eine Höhe von Zweitausend Metern über Meer. Dort liegt Chandolin auf einer schmalen, abschüssigen Terrasse.
Wir gingen zum alten Teil des Dorfes hinunter. Die Kapelle Sainte-Barbe ist jetzt ein Museum, in Erinnerung an Ella Maillart, einer der mutigsten Frauen in der Literatur. Weiterlesen