Meine Gedichte

Verslehre

Ich weiss nichts von der Verslehre
nichts von betonten und unbetonten Silben
nichts von kurzen oder langen
nichts von Versfuß und Versmaß
nichts von Hexameter und Pentameter
nichts von Alexandriner und Jamben,
nichts von Endreim und Binnenreim,
nichts von Lautfolge und Melodie
nichts von Wortsetzung und Sprachlogik
nichts von Metrik
nichts von daktylischen Reimen
nichts von eingebundenen Worten
nichts von gestanzten Zeilen

meine Gedichte sind freies Strömen & Fluten,
sind Verlockungs- & Verführungskraft
und entfalten sich in einem
weiten Bogen aus Worten.

 

Die Herkunft der Freiheit

Der Vater hütete fünfzehn Sommer lang
das Vieh auf einer Alp im Berner-Oberland.
Die Mutter wuchs auf einem Bauernhof
im Luzerner Hinterland auf
in einer von Wäldern abgeschirmten Idylle.
Im mir pulsiert bäuerisches Blut.
Aber welcher Schweizer ist kein Bauer?
Die Freiheit der Schweizer kommt von den Bergen
und nicht vom Geist, sagte kürzlich ein Freund zu mir.

 

Für Janis

Einsames Mädchen in Blau,
das nach dem Himmel griff,
wir hörten deine Songs,
als wir noch jung waren,
das Wort Rente nicht kannten
und die Freiheit ein wilder Pfad war.

Einsames Mädchen in Blau,
das nach dem Himmel griff,
wir hörten deine Songs,
als wir in der roten Sonne lebten,
und die Federboa wirbelte vor
einem erloschenen Stern.

Einsames Mädchen in Blau,
das nach dem Himmel griff
und ihn hinter einem Cadillac versteckte,
wir hörten deine Songs,
als die Straßen uns noch
ins Offene führten
und der Horizont keine Grenze war.

Einsames Mädchen in Blau,
das nach dem Himmel griff,
wir hörten deine Songs und
du bist jung geblieben,
für immer jung,
das haben wir nicht geschafft
auf unserem langen Weg
ins graue Alter.

 

Strömendes Wasser

Das Wasser strömt zwischen
deinen Beinen hindurch,
meine Blicke umspülen sie,
deine entblößten Beine,
vom Wasser umflossen,
von meinem Blick genässt.

Das Licht glitzert auf dem Wasser,
Blitze zucken zwischen
deinen Beinen hindurch
und treffen meinen Blick.

Schau die Wolken am Himmel,
sie sind wie das Wasser,
das zwischen deinen Beinen
hindurchströmt.
Sie nehmen ihren Schatten mit,
wenn sie vorüber ziehen.

Das Fließen und die Blitze
lassen deine Beine
in einem feuchten Glanz
schimmern
und die Strömung trägt
meinen Blick fort,
in dem der Blitz haust.

 

Rimbauds Töchter

Dieses verlorene Mädchen
in der Wüste Nordafrikas,
ließ sich immer weiter und weiter treiben,
eine Nomadin der Sanddünen und der Kliffs,
nicht um die Entregelung der Sinne
ging es ihr,  sondern  um jene
des sozialen Verhaltens:
sie kleidete sich wie ein Mann,
sie ritt wie ein Mann,
sie besuchte die Bordelle wie ein Mann,
und ein Araber war ihr Liebster.
Im asketischen Leben der Wüstenbewohner
fand sie sich selber,
aber sie musste weiter,
immer tiefer in die Sahara,
nirgends fand sie eine Bleibe für sich selbst.
Sie starb jung. Ertrank. Mitten in der Wüste.
Als ob dieses Leben zu viel für sie gewesen war.

Eine andere Tochter Rimbauds
kommt aus New Jersey.
Seine Gedichte haben sie
vor der Fabrik gerettet.
Mit ihren Songs feiert sie
seine Auferstehung.
Sie ist eine Wiedergängerin in
weiblichem Geschlecht.
Sie hat seinen Tod gesprochen,
seine Träume geträumt,
seine Spuren in Charleville und Paris verfolgt,
doch jenen im Harrar durfte sie nicht folgen.
Sie hat seine Dichtung
in Sprechgesänge verwandelt,
in rhythmische, energiegeladene Wortkaskaden
der Rebellion
gegen die von der Gesellschaft in Aussicht
gestellte Zukunft.

 

Leicht wie Wind & Wolken

Ich war so viel jünger als jetzt,
ich träumte Wind & Wolken,
reisen wollte ich.
Es gab den Blues,
aber ich suchte nach etwas Leichterem,
das Wind & Wolken war
und mich davon trug,
wie ein Duft, den ich einmal
eingesogen habe
und nachher nie mehr,
nachdem man sich sehnt,
wie nach der Liebe
oder einem vollkommenen Buch.
Ich war leicht damals,
leicht wie Wind & Wolken
und fast unsichtbar,
vieles haben die Jahre verweht,
ein paar Erinnerungen,
sind noch da, von damals,
als ich so viel jünger war als jetzt,
ein Träumer mit langem Haar,
die Mädchen von strahlender Schönheit,
in Wind &Wolken.

Man wollte einiges von mir,
was, habe ich nie wirklich begriffen.

 

Dein Duft

Dein Duft schimmert
wie der Flügel eines Falters,
er ist das Sternbild,
dem meine Nase folgt,
ein Traum,
der durch meinen Schlaf zieht,
eine Landschaft aus Licht, Gräsern und Büschen,
ein Song – far away – in den Straßen
einer anderen Stadt,
er ist Wind, Rosenbusch, fließendes Wasser.

Dein Duft ist
ein strömendes Gefühl in mir,
ein Lied, eine warme Melodie,
die mich jedes Mal
wenn ich sie höre
von neuem überrascht,
als ob ich deinen Duft
zum ersten Mal
wahrnehmen würde.

 

In der Ardèche

Wir wandern durchs
glänzende Grün
des feuchten Kastanienwaldes.
Der Tanargue,
der Berg des Donnergottes,
verborgen in der weißen Stille
des Nebels.
Nur der Wald spricht,
an diesem Morgen im Nebel,
sonst ist es still
wie der Himmel,
der sich nicht zeigt.

Ein riesiger Fliegenpilz
mit zerlöchertem Dach
dient uns als Wegweiser,
die Richtung müssen wir
selber finden.
Die Kastanien platzen
mit einem lauten Geräusch
zu Boden,
grüne Sterne,
die draußen im Kosmos leuchten.

Die Beaume rauscht
durch ihr steiniges Bett,
sie hat vieles gesehen,
vieles mitgenommen,
anderes stehen gelassen.
Sie hat Wannen
aus dem Granit gewaschen
und mit dem glitzernden
Wasser der Sonne gefüllt.

Der helle Nachmittag
schlängelt sich durchs Farn,
isst Pfirsiche, Feigen, reife Trauben
und trinkt den kühlen,
nebligen Morgen leer.

 

Unbehagen

Der Tag begann
mit einem Unbehagen,
dem Rauschen des Regens
und einem stupiden Dämmerlicht.

Das einzig Gute war,
dass ich nicht aus dem Bett musste,
mich umdrehen
und dem verregneten Tag
die kalte Schulter zeigen konnte.

Ich holte das Unbehagen,
das schon auf war,
zurück unter die Bettdecke,
lauschte dem Regen
und schlief wieder ein.

Als ich wieder aufwachte,
bahnte sich das Sonnenlicht
durch die Spalten der Jalousie
ins Zimmer
und das Unbehagen
war mir entschlüpft.

 

Jack lebt

Er steht auf der Veranda
vom Haus seiner Mutter,
im bitter kalten Winter,
bloß in Jeans und Baumwollhemd,
Hände und Füße gerötet,
eine Sonne, die tief im Süden
untergeht.

Er taumelt,
klammert sich am Geländer fest,
Dämmerung und Dunkelheit
in rasendem Wechsel,
Verblendung und Verzweiflung,
alle Wunden ausgekratzt,
nichts wurde heil davon.

Er krümmt sich,
richtet sich wieder auf,
noch einmal über den stöhnenden
Kontinent rasen, westwärts
– ach, Leben, Sehnsucht, wilde Fellachenzeit,
Denver, San Francisco, Mexiko-City.

Er geht barfuß
die schneeverwehte Treppe hinunter,
er will weg, abschwirren,
per Anhalter über die kontinentale Endlosigkeit,
fern die Jugend, unwiederbringlich verloren
die Freunde von einst: Neal, Bill, Allen, Gary.

Er bleibt auf der untersteten Stufe stehen,
die Kälte schmerzt,
das Stechen in der Brust,
selbstquälerisches Fazit seiner
nostalgischen Rückschau,
seiner Suche nach sich selbst:
„Nichts. Nichts. Nichts.“

Vor ihm ragt die alte schwarze
Douglas Tanne in die Dämmerung
und hinter ihm im Wohnzimmer
sitzt die gelähmte Mutter im Rollstuhl.
Die Gedanken beschäftigt mit der elenden nebligen
Spur seines Lebens, den Geheimnissen, Träumen,
Rhythmen und der pulsierenden Energie der Straße.
Ein gehetztes, armes, kompliziertes
Leben – im verfluchten und
geliebten Amerika.

Er macht ein paar Schritte über
den Vorplatz. Nutten und Süchtige,
Gauner und Hipster
schauen grotesk und gespenstisch
aus der Erinnerung.
Viel Gepäck musste über Bord,
bis er seine Stimme fand,
diesen freien assoziierenden
improvisierenden & spontanen Prosastil,
heiser und rau im Klang.

Er stolpert, taumelt, sucht nach Halt,
krümmt sich zusammen,
abscheuliche Nacht, künstliche Lichter,
Liebschaften, nächtelange Debatten, Joints
– Delirien und Fieber aus einer anderen
Zeit, Ungeduld, verzweifelte Augen,
spärliche Glückseligkeit.

Er kniet, wühlt mit den Händen im Schnee,
erschöpft sind Kraft, Mut und Imagination,
erloschen die große Vision von einst.
Das endlose Band der Straße rollt
unter seinem Leben fort.

Die Stille der Niederlage. Nacht. Winter. Schnee.

 

Ein Vers für dich

Einen schönen Vers werde
ich heute schreiben,
ein Vers für dich,
ein flüchtiger Vers,
leicht wie die Sommerbrise,
die man kaum spürt,
ein Vers aus Rosenblättern,
Spinnweben
und Veilchenblau,
ein Vers, der nur aus der
Leichtigkeit dieses Tages besteht,
ein Vers, so jung und frech
wie die Songs der Beatles
in den frühen 1960-ger Jahren,
ein Vers, ein Vers, ein Vers.

 

Der großartiger Tod

Sie prallte gegen
die heiße Glühbirne
der Stehlampe und
fiel zu Boden,
blieb auf dem Rücken
liegen, zappelte mit
den Beinen und surrte.
Ich ging hin und hob sie auf,
sie war halb tot,
schimmerte grün, glänzte.
Ich sah die riesigen Pupillen.
Mit ihren dünnen Beinen
klammerte sie sich an
meinen Finger, dann
versuchte sie zu fliegen,
fiel wieder zu Boden,
ich hob sie wieder auf,
öffnete die Balkontür,
setzte sie auf den rauen Granitboden,
sie krabbelte umher.
Ich schloss die Balkontür.

Ein großartiger Tod
ist etwas für Generäle und Dummköpfe.

 

Arbeitslos

Ich bin arbeitslos
und stehe im Sihlwaldfriedhof.
Die Sonne scheint auf zwei Reihen
frischer Gräber herab,
die aufgeworfene Erde,
die hölzernen Kreuze,
die Blumenkränze mit den Schlaufen.
Da liegen sie.
Ein Leben lang haben sie
gearbeitet.

Versäumt man das Leben,
frage ich mich, als ich weitergehe,
wenn man nicht arbeitet,
oder betrügt man sich mit Arbeit
um die Zukunft, die irgendwann
unwiederbringliche Vergangenheit ist?

Wer nicht arbeitet,
muss sein Leben erfinden.

 

Alte Kommunisten, Süden

Ein heftiger Frühlingsregen
prasselte nieder. Wir suchten
Schutz, in einer kleinen Kneipe
in Losone. Sägemehl auf dem
Steinboden, einfache Holztische,
vom Rauch gelb gewordene Wände,
Kupferarbeiten daran aufgehängt
und ein von Hand gemaltes
Plakat des „Partido del Lavoratu“.
Das Feuer im offenen Kamin fraß
Feuchtigkeit. Die Wirtin
saß davor, stocherte mit einem
Schürhaken darin, rote knotige Hände,
runzliges, zerfurchtes Gesicht, grauer Rock.
Sie sang alte Volkslieder aus dem Tessin,
zusammen mit den drei Arbeitern,
die an der Theke standen und Wein tranken.
Die Wirtin sang mit einer
schönen, hellen Mädchenstimme.
Wir saßen still da, lauschten, verwundert,
das alte verrunzelte Gesicht,
die helle Mädchenstimme.

 

Winterimpression

Schnee auf dem gewölbten Glasdach
trübes Licht in der Bahnhofshalle
schummerig und öde
wie in einer Bar bei Tag
wüste schmutzige Eisstücke zwischen den Schienen
18º Celsius minus
seit Wochen schon
die Wissenschaftler reden von einer neuen Eiszeit.

Sitzt einer da
bloß in grobem blauem Hemd
und schwarzer Hose
barfuß
die Mappe unter
den roten aufgequollenen Füssen.
Als der Zug einfährt
steht er auf und
geht auf den Außenkanten
der Füße
so brennt ihn die Kälte des Bodens.

Frühling, denke ich
Vogelgezwitscher und laue Luft.

 

Han Shan

Han Shan,
chinesischer Dichter aus der Tang-Zeit,
dunkel seine Herkunft,
unbekannt die näheren Umstände seines Lebens.
Eine verwilderte Gestalt,
struppiger Haarschopf,
zerlumpte Kleidung.
Er las murmelnd die Schriften von
Lao-Tse und Dschuang-Dse,
ging durch die raue Berglandschaft,
pinselte Gedichte an die Felswände,
suchte den Wolkenpfad
vom Ich zum Selbst,
und war zufrieden,
wenn er seine Hütte ausfegte,
die nach allen Seiten offen war,
und am Han Shan stand, am Kalten Berg,
also in ihm selber.

 

Am Idaplatz

Manchmal stehe ich am Fenster.
Manchmal träume ich.
Manchmal liege ich auf dem Fußboden
und genieße das Sonnenlicht.
Manchmal lehne ich am Wind.
Manchmal bin ich ein Gott, der nicht redet.

Und manchmal ein Eremit,
der sich in die Fliege verwandelt,
die in der Wohnung umherschwirrt.

Über den Dächern,
die Schwalben,
auf ihrem Flug
ans südliche Ende der Welt.

 

Geheimnisvolle Katzenlady

Ah – die Luchsin da,
geheimnisvolle Katzenlady,
lockerer Gang,
elegante Leichtigkeit.
Form und Vollkommenheit.

Ein Zucken in den Pinselohren,
das verzaubert.
Die schrägen, ockergelben Augen.

Schönheit und Entzücken
beim Anblick der Kurve
ihres Rückens,
des gefleckten Laufs,
der sich leicht durchbiegt
beim Gehen.

Flüchtige Erscheinung,
die reizt
reizt
reizt.

 

Längenmaße auf einer Bergwanderung

Ein Kilometer
bleibt ein Kilometer!
Er ist eine Maßeinheit
mit einer exakten, streng definierten Länge,
an der es nichts zu ändern gibt.
Man kann ihn in kleinere Einheiten zergliedern
und die wiederum in noch kleinere,
aber an seiner Länge ändert sich nichts.

Der Li hingegen,
das chinesische Längenmaß,
ist wandlungsfähig.
Es passt sich dem Weg an,
den Anstrengungen,
die er dem Menschen abfordert.
Je steiler und mühsamer der Pfad,
desto kürzer wird der Li,
geht es geradeaus,
auf leichtem bequemem Weg
und man kommt flott voran,
dann dehnt sich der Li,
er rollt sich aus
und wird länger und länger.

 

Maler aus der Urzeit

In dunklen Höhlen,
im rauchenden Licht eines Holzspans
male ich den Bison, das Pferd, den Luchs
auf die kalte Wand
und halte sie in der Höhle fest,
bis die Göttin kommt
und mit mir schläft.
Sie grunzt und furzt und beißt
beim Vögeln.
Aufgeschreckt von ihrem Stöhnen und Grunzen
rennen die Tiere davon,
aus der Höhle fort ins Freie
und ich sehe wie meine Bilder
an der kalten Wand verblassen;
der Bison, das Pferd und der Luchs.

 

Kastanien

Im Frühsommer, auf Korsika,
sahen wir auf unseren Wanderungen
die blühenden Kastanien,
jeder Baum,
ein blassgelbes Feuerwerk.

Im Herbst, in der Ardèche,
fielen die reifen Früchte wie
stachelige Smaragde
zu Boden und zerplatzten.
Ein braun schimmerndes Auge
kam darin zum Vorschein.

Im Winter, in Zürich,
wärmten wir uns die Hände
an einer Tüte gebratener Maronen,
die zwei Italiener
an der Bahnhofstrasse verkauften.

 

Also sprach Zarathustra

Das Glück und das Geld
kommen Arm in Arm
die Straße herunter.
Als Zarathustra das sieht,
sagt er,
das Glück und das Geld
werden nie ein Paar,
bevor sie sich gefunden haben,
gehen sie schon wieder
getrennte Wege,
denn das Geld muss sich verstecken
und das Glück ist etwas
für sonnige Plätze.

 

Modistinnen bei der Arbeit

Hinter dem Haus,
weit oben im kahlen Ahorn,
baut ein Krähenpaar das Nest.

Vom Küchenfenster aus
beobachte ich den Fortgang der Arbeit.
Mit welcher Geduld sie
Äste und Grashalme zusammentragen,
immer nur eins im Schnabel,
und sie in das konische Geflecht einfügen.

Zu Beginn nur ein fragiler Boden,
jetzt gewinnt das Nest rasch an Höhe,
jeden Tag ein paar Zentimeter.

Am Morgen sind sie schon
bei der Arbeit,
wenn ich noch meinen Kaffee trinke.
Nach ein paar Tagen sieht man nur noch
die wippenden Schwanzfedern herausragen.
sie sind wohl dabei,
den Boden zu polstern.

Dieses Nest sitzt wie ein umgedrehter Hut
in der Astgabel,
vom Wind da hinauf geweht,
das elegante Werk von zwei
schwarz glänzenden Modistinnen.

 

Meine Bibliothek

Meine Bibliothek
ist ein Baum,
der Ringe und Jahre ansetzt
und sich in alle möglichen Richtungen verzweigt.
Es gibt darin
die Ungelesenen,
sie sind aus der Erregung des ersten Augenblicks
nicht hinausgekommen;
die Angelesen und die Aufgegebenen,
denen der Atem für die ganze Strecke fehlte;
die Geduldigen,
sie wissen, wann ihre Zeit gekommen ist;
die Ramponierten, Zerfledderten und Zerlesenen,
vom Alter gezeichnet wie ich selber,
sie sind Teil meiner eigenen Mythologie geworden.
Andere tauchten am Horizont auf
und versanken hinter mir wieder in der Nacht,
flüchtige Erscheinungen am Rand des Himmels.
An den Büchern messe ich
meine eigenen Wandlungen.

In meiner Bibliothek
gibt es ein Buch,
in dem das Rätsel des Lebens gelöst ist,
ich weiß, dass es da ist,
aber ich kann es nicht finden.

 

Wintertag

Dieser graue Tag
wird wohl hängen bleiben,
bis die Abendlichter
ihn etwas ungehalten fortscheuchen.
Wir werden kalte Füße haben
und Kalkränder an den Schuhen.
Das einzig Helle an diesem
ersten Januar ist das
Weiß des Schnees.
Was fängt man mit so
einem Tag an, der einfach
hängen bleibt im trüben Grau
und von sich behauptet,
er sei der erste im Jahr.
Wir haben Frost vor den Fenstern
und der Tod schaute zwei Mal herein
im alten Jahr.

 

Importprodukte

Die Araber haben uns
die Zahlen gebracht,
die Inder die Null
und einen tanzenden Gott,
die Tibeter das Reich
zwischen Leben und Tod,
die Chinesen das Schießpulver
und die Weisheit
des fließenden Wassers,
und die Japaner
den unmittelbaren Augenblick,
siebzehn Silben lang
– das Haiku.

 

Lehrgang

Gehe zum Berg,
lerne still zu stehen.
Gehe zum Fluss,
lerne zu fließen ohne zu stocken.
Gehe zur Schwalbe,
lerne im Sturz zu fliegen.
Gehe zum Wald,
lerne mit Geduld zu wachsen.
Gehe zum Feuer,
lerne dich zu nähren.
Gehe zur Kuh,
lerne das Bekannte wiederzukäuen.
Gehe zur Gämse,
lerne zu klettern ohne Angst vor dem Abgrund.
Steige in den Himmel,
dehne dich aus
bis du nur noch ein kleiner Punkt bist,
im unermesslichen Blau.

 

Ein Blitz im Blau des Himmels

Wenn das Leben ertrinkt,
die Zeit vorüber schreitet,
die Sonne scheint,
die Steine am Fluss
sich warm anfühlen,
die Autos fahren,
der See weich schimmert
und ich auf meinem Bürostuhl sitze,
dann sehe ich einen Blitz
im tiefen Blau des Himmels,
der mit einem lauten Knall
in meine Trägheit schlägt.

 

Abhandengekommenes

Wie viele Dinge sind mir
abhandengekommen,
in all den Jahren,
von wie vielem habe ich
mich abgewandt,
aus Gleichgültigkeit, Unachtsamkeit oder
weil ich das Interesse daran
verloren habe?
Was habe ich gewonnen,
als anderes verloren ging?
In welche Zonen muss
ich vordringen, um Verlorenes
wieder zu finden?

 

Der Weg nach Westen

Der Weg des amerikanischen Dichters
Gary Snyder nach Westen
führt von der kalifornischen Küste
zum Inselbogen Japans,
von Hokkaido hinüber nach China,
durch Tibet und Persien nach Europa.
Es ist ein Schamanenweg,
ein alter, visionärer Weg,
der Weg der Bären, Bisons,
Aprikosen und Brombeeren.

 

Jugendliche Torheit

Als ich jung war,
wollte ich weder beruflich
noch gesellschaftlich
etwas erreichen.
Für die Erwachsenen war es
jugendliche Torheit und Leichtsinn,
für mich
eine luzide Weisheit.

Ich verachtete alles Bürgerliche
und hatte eine Abneigung
gegen Lohnarbeit,
gegen Arbeit überhaupt,
ich wollte herumhängen,
gammeln,
in den Tag hineinträumen,
das Leben auskosten,
die Wunder der Welt sehen.

Damals war ich jung und verloren.
Ich lag am Fluss im Gras,
sah den weiten Himmel
und hörte das Wasser vorbeirauschen,
und es war,
als rausche auch das Leben
an mir vorbei.
Ich lag gerne im Gras am Fluss,
ohne etwas zu denken,
einzig die vorbeiziehenden Wolken
zu beobachten
und dem Gefühl,
ein Genie zu sein.

 

Das Buch vom Gehen

Damals war ich jung und frei,
und ich konnte gehen, weit gehen,
auf sommerfarbigen Wegen,
Wolken zogen vorbei,
ich sah den Saum des Waldes,
manchmal führte der Weg
mitten hindurch,
da war der Wiedehopf und
die schielende Eule.

Ich trug eine ausgebeulte Hose
und Schuhe, die nicht allen Ansprüchen
gerecht wurden.
Ich war Fußgänger,
Gedanken brauchte ich mir keine zu machen,
die offene Straße führte mich.

Es war ein leichtes, schwereloses Gehen,
den Küsten entlang,
den Flüssen,
in die Städte
über steile Bergpässe.
Müdigkeit verspürte ich selten.

Ich spürte den Augenblick,
so wie man den Asphalt
spürt, wenn man müde ist.
Ich war Vagabund.
Ich war Wanderer.
Ohne Philosophie – nur mit meinen Sinnen.

Träumen, Wandern
unter freiem Himmel,
Helligkeit, grenzenlose Klarheit,
der Rausch des Weiterziehens,
anderen Landschaften entgegen,
ohne zu wissen,
ob man hier jemals
wieder schlafen wird.

Wenn die Felder neben der Straße lagen,
und ich die Bäume sah,
die Düfte, die Farben
und plötzlich ein Gewitter
nieder ging,
und der Regen seinen prasselnden
Schirm öffnete,
dann war ich auf der Straße zu Hause.

Ich träumt das Lied von der Wanderung,
ich hatte kräftige Füße
und verstand mich aufs Lieben
und aufs Gehen,
durch warme Kieferwälder,
Grashänge hinab.
Ich spürte den Wind,
der mir den Weg wies.

Ich war ein Wanderer
in den Tiefen der Zeit,
Gehen war die einzige Kunst,
die ich beherrschte.

Später ging ich durch die Städte,
wie der Wind,
der durch sie hindurch ging.
Meine Gedanken waren
in den warmen Kieferwäldern,
die ich durchwandert habe,
in halb vergessenen Tagen.

Ich zog mit den Wolken und
mit den Pferden,
Wandern ist
ewige Unschuld
und Unschuld macht jung.

Ich bin Träumer,
ich bin Wanderer.

 

Nomade

Ich bin einer,
der die Dinge in ihrem Rhythmus wahrnimmt,
in ihrer fließenden Energie,
einer, der auf die andere Seite wandert,
der die Wolken ziehen sieht,
die Kraniche,
einer, der weiß,
dass Ziehen und Gehen
das Leben um- und umgestalten,
dass das Leben eine Schaukel ist,
dass Höhe und Tiefe die
zwei Enden der gleichen Bewegung sind,
einer, für den die Worte
den rauen Klang der Wirklichkeit haben,
einer, der dem Flug der Vögel folgt,
die unsichtbare Linien
in den Himmel ziehen,
einer, der Geschichten folgt,
die seine eigenen hätten sein können,
wären sie nicht in einer
fremden Sprache erzählt worden,
einer, der die Wege kennt,
die andere gehen
und die die seinen kreuzen,
einer, der spielt und in den Himmel pisst,
damit es anderswo regnet,
einer, der nichts sammelt,
an nichts gebunden ist,
der die Dinge in seiner Vorstellung träumt,
und das Imaginäre sichtet,
einer, der Spuren lesen kann
und ihnen auch da zu folgen weiß,
wo sie sich längstens in der Einbildung
der anderen verlieren,
einer, der den Regen spürt,
den Schnee, die Sonne,
dessen Haut die Erinnerung
an frühere Sommer und lange Winter
gespeichert hat,
einer, der den Schlag eines
Schmetterling-Flügels hört,
und im Kreislauf
des eigenen Blutes
das Mantra seiner Wanderungen erkennt,
einer, der im Rauschen des Windes,
zu Hause ist,
der im Gehen den Puls
seiner Gedanken spürt,
und im Brennen der Gefühle
das Gleißen von Sonnen sieht.

 

Reisebücher

Viele Jahre lang
habe ich nur
Reiseberichte gelesen,
bin den leuchtenden Spuren durch
Asien, Afrika und Amerika gefolgt,
dem blauen Weg
durch Labrador, den verbotenen Trassen
durch das Tsaidam-Becken,
und dem bitteren Pfad durch Persien
nach Afghanistan.
Ich kannte den Weg
nach Oxeana,
jenen des Barbaren,
die Traumpfade Australiens
und wusste wo
die Brunnen in der Wüste Südarabiens
zu finden waren.
Ich erfuhr, dass die Erfahrung der Welt
am Kyber-Pass endet und dass
der tiefe Norden Japans sich
weit über Kisagata hinaus dehnt.

Ich habe mich
im offenen Gelände bewegt,
die Fremde ist
mein Zuhause geworden.

Wenn es mir
auf einer Seite
nicht mehr passte,
bin ich weitergezogen.
Wenn mir ein Kapitel
zu lang wurde, habe ich
den Weg abgekürzt.

 

Meine Gedichte

Meine Gedichte sind meine Lieder,
sie sind das gelbe Pappelblatt,
das du mir gebracht hast.
Meine Gedichte sind Erinnerungen
an all die Sommer, die wir zusammen
unter der Pappel verbracht haben.
Meine Gedichte stürmen vorwärts,
durch den Herbst und den Winter
in den Frühling hinein.
Im Wind hört man ihre Melodie,
sie sammeln sich über dem See,
sie erzählen von der Pappel
und ihren grünen Blättern,
die silbrig im Sonnenlicht zittern.
Meine Gedichte gleiten dahin,
fangen Feuer,
verbrennen sich die Flügel,
und beginnen zu leuchten.

 

Notierungen

Auf einer Wanderung
las ich Dante
und maß seine Verse
mit meinen eigenen Schritten.

Die Mauersegler schwirrten
und kreischten
durch den Sommer,
die Regentage im August
haben sie fortgescheucht.

Pierre Bonnards Farben
sind kontrapunktische Wirbel,
die einander verschlingen,
eine fließende Welt,
in der es weder ein Innen
noch ein Außen gibt.

Der Traum der vergangenen Nacht
ist wie ein Sack voller Flöhe,
den jemand in meinem Kopf
vergessen hat.
Die leuchtende Nachmittagssonne
trinkt Herbstblätter
und verscheucht Unruhe und
Ungeziefer aus meinem Kopf.

Die Liebe fand auf dem Teppich
neben dem Bett ihren Platz,
wenn sich das Paar abends
zur Ruhe legte.

In den klaren Nächten
leuchtet der Mars
am östlichen Sternenhimmel
wie das kranke Auge
eines jungen Gottes.

Maske aus Holz,
altes Gesicht,
rollst durch
meine Träume,
wie ein abgeschlagener
Kopf.

Manchmal kommt einer,
der geht langsam,
das Gesicht nass vom Regen.

Die feuchte kühle Nachtluft
brachte die Sterne herein,
und die Wolken,
die mit dem Frühling kamen.

Mein Kopf vergaß,
dass der Körper ihn trägt,
als er davon wanderte,
und sich plötzlich fragen musste,
warum bleibe ich
so weit zurück.

Wir gingen eine Krete entlang,
als ein Stein sich löste
und polternd hinunter fiel
in die Tiefe der verlorenen Jahre,
den Hang hinab,
der übersät war
mit vergessenen Tagen.

Manchmal hörte ich einen
Beat in der Ferne.
Ich liebte den Rock n’ Roll,
der rollte,
wenn ich ging,
so waren wir zusammen.

Die Straße ist ein glänzendes Band,
das unter dem Wagen
weggezogen wird.
Sie fließt in die
entgegengesetzte Richtung.

Ein Haiku rollt
den Weg hinunter,
durch den Fluss,
ohne nass zu werden.

Ich lebe in einem tiefen Zwiespalt
und all meine Handlungen und Äußerungen
sind nur ein dumpfes Klopfen
gegen die steil aufragenden Wände
beidseitig von mir.

Ich bin nicht mehr
jener Junge,
selbstbewusst und unbekümmert,
als hinge ich wie ein Affe an einer Tür,
um mich durch die Welt zu schwingen
wie durch das Wohnzimmer
und wieder hinaus
in den düsteren Gang.

Ein Wort,
am Abend,
kühler Wind im Frühling,
ein umfassendes Wort,
ein Wort bloß,
würde mir genügen.

Fluss und Wind
Sonnenlicht
Auf der heißen Mauer atmet eine Eidechse.

 

Fährtensucher

Die letzten Nächte waren klar und
kalt. Am Morgen, wenn ich zur
Arbeit ging, heftete ich meinen
Blick wie ein alter Fährtensucher
auf den Boden, auf die Spuren
der eisigen Kälte. Sie hatte mit dem
Tauwasser des Vortages reiche
Ornamente auf den schwarzen Asphalt
gezeichnet. Ornamente, die mich an
das sternenförmige Gebilde
übergroßer Schneeflocken erinnerten,
an Krähenfüße, an Mimosenzweige,
die man jetzt auf der Straße und
in den Blumenläden anbietet, an
Tatzen von seltsamen, aus dem Reich
der Mythologie stammenden Tiere,
an Zweige mit unzähligen, dünnen,
sich oft gabelnden und ineinander-
verschlungenen Ästen, ein
unglaubliches, vielfältiges Gebilde,
über das die eitlen Schritte der
Menschen achtlos und gleichgültig
hinweggehen. An anderer Stelle
entdeckte ich auf dem rauen
Asphalt verstreut kleine Blumen, aus
durchsichtigem Papier ausgeschnitten,
oder solche, die in dicken Büchern
gepresst worden waren, auch alte,
mit Blumenmotiven bedruckte
Tapetenfetzen.

 

Das unerträgliche Leben

Es war eine Zeit, da empfand er
sein Leben als unerträglich.
Er ging durch den Regen.
Es war schon dunkel.
Sein Haar triefte vor Nässe.
Er fühlte sich hin- und hergerissen,
in alle Richtungen gezerrt,
am liebsten wäre er auf und davon gegangen.
Er fühlte sich wundgeschabt von diesem
Wunsch, vielleicht auch davon, dass er
blieb und nicht ging.
Jetzt stand er im Lift.
Er schüttelte sein nasses Haar.
Er war bei seinen Eltern
zum Nachtessen eingeladen.
Sonst ernährte er sich von
Nüssen und von Früchten.
Er kam von der Arbeit. Ihm gefiel
die Faulheit. Sie war die Frucht
seiner Arbeit.
Er war unbefriedigt,
weil er sie nicht genießen konnte.

 

Die Wirkung des Weins

Vier Uhr in der Früh. Ich wache auf.
Das Licht brennt noch.
Sie liegt neben meinem Kissen –
braunes, weiches Haar,
ein zartes mädchenhaftes Gesicht.
Wie verlassen muss sie sich die ganze
Nacht hindurch vorgekommen sein,
wo sie doch schon zu Lebzeiten nicht jene
Liebe und Zuneigung erhielt, wonach sie verlangte.
Arme Katherine, auch ich schlafe ein,
bei der Lektüre deines Tagebuches, wo ich ihm
doch so viel verdanke. Im Schlaf dachte
ich unentwegt weiter an das Gelesene,
wachte wieder auf, las murmelnd ein paar
weitere Zeilen, schlief abermals ein ….
Was geschah dann?

 

Die Süße des Nichtstuns

In einem Monat fange ich wieder an,
Geld zu verdienen. In einem riesigen
Bücherlager.
Keine besondere Arbeit.
Meine Aufgabe wird sein, anhand
von Rechnungen und Lieferscheinen
Sendungen zusammenstellen
und zum Einpacken weitergeben.
Das ist nicht schwierig und verlangt
keine besonderen Qualifikationen.
Es fehlt mir an Ehrgeiz.
Ich habe keine beruflichen
Absichten. Ich will keine gesellschaftliche
Stellung erobern. Diese Arbeit wird
das richtige für mich sein, sie wird mich
unscheinbar und bedeutungslos
machen. Niemand wird mich
beachten. Ich werde meine Ruhe
haben, für mich sein können und
träumen.
Wie der junge, arbeitsscheue Simon
in Geschwister Tanner, liebe ich die
Süße des Nichtstuns und lange
Spaziergänge. Über Pflichten denke
ich am liebsten nach, wenn ich keine habe,
sie sind dann so leicht wie Träume
und drücken nicht.

 

Die Feuerwanze

Im Militärdienst, bei einem Orientierungslauf
als Postenchef aufgestellt. Ich komme mir wie
ein chinesischer Einsiedler vor, der
unter seinem Grasdach sitzt.
Manchmal eilen Läufer und Läuferinnen
hierher, stören mein versunkenes Schauen,
schreiben keuchend und hastig Antworten
auf die rosafarbenen, von der Feuchtigkeit
aufgeweichten Fragebogen. Das Rauschen des
Flusses verschluckt ihre Schritte, wenn
sie weiterrennen. Nebelbänke steigen
an den bewaldeten Berghängen hoch.
Schwärme von kleinen Mücken haben unter
meinen, dürftig an zwei Sträuchern festgemachten
Zeltplanen Zuflucht vor dem Regen gefunden.
Der Regen sieht wie ein summendes
Netz aus, das man in die Landschaft
gehängt hat. Fernes Motorengeheul.
Vogelgezwitscher. Mein Kopf noch
schwer vom Weinrausch der letzten
Nacht. Ich wollte nicht mehr in die
Kaserne zurück, aber die anderen
schleppten mich mit.
Plötzlich starrt mich eine kleine
Maske an, die Zeichnung auf dem
Rücken einer Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus),
die auch unter die Plane ins
Trockene kriecht. Ach, wie gerne
möchte ich in dieser Maske sein und nichts
wissen von den Menschen
und dem Leben als Soldat.

 

Sommer 1980

Laken zurückschlagen
bevor die Sonne aufsteigt
rasch einen heißen kompakten Kaffee.

Mit dem Auto fahren wir zur Stadt hinaus
an einen Waldrand
wo eine Kolonie aus Einfamilienhäusern entsteht
einheitliches Modell.

Betonmaschine rumpelt
Pflaster flutscht heraus
drehe den Hebel wieder zu
stoße den quietschenden Schubkarren
überschwappend voll durch
schlammige Regenwasserpfützen
das wird den Fußboden für die Küche geben
verlege Eisenruten und Stahlnetze
nagle Holzkeile fest.

(Geist Zeit Arbeit
Körper)

Mittagspause. Setze mich
auf einen Stein vor die Baracke
esse Käse in Olivenöl und Brot
trinke Wein dazu
rauche eine selbst Gedrehte.

Putze Bretter im schwarzhändlerischen Licht
des Nachmittags
Schabeisen schrammt trockenen Beton auf
reißt ihn vom Holz weg, über meinem
Kopf schwenkt der Kran-Arm hin und her.

Dämmerlicht und Regen über dem See
später Heimweg, frischer Westwind.

Steife Brustwarzen streicheln, spät am Abend
weiche sanfte Haut
mit müden geschwollenen Händen
rauen Fingerkuppen, schwarzen Nägeln
stille sanfte Lust, Prickeln unter
der Haut, nach langen Stunden dumpfer
harter trockener Arbeit
weicher feuchter Pelz
zwischen vollen runden Schenkeln.

Das Fenster steht offen, das monotone angenehme
Rauschen des Regens
und der alten Buchen vor dem Haus.

 

Luchsspuren

Luchsspuren führen zu einem
Windwurf, zum Unterschlupf,
führen quer über die Wege,
kreuzen die Fährten von
Hirschen, enden am Rand
von Autobahnen, verlaufen sich
auf trockenem Nadelboden
eines Lärchenwaldes,
im raschelnden goldenen
Sommergras.
Luchsspuren und überall
hinlaufende Pfade, rund ums Haus und
in Schlaufen durch den Wald.