Nächtliche Wanderung

„Ich bin ein Fußgänger, und weiter nichts“, schreibt Arthur Rimbaud in einem seiner Briefe.
Ich habe mich schon oft gefragt, ob dieser Satz nicht bestens zu Robert Walser passen würde, war er nicht ein Fußgänger ohnegleichen, einer, der sich aufs Wandern kapriziert hatte und in seinen Büchern oft auf Spaziergänge, Fußmärsche, auf das Gehen überhaupt zu sprechen kommt. Im Stück Der Ausflug wird das Gehen als „Königslust“ bezeichnet, in Poetenleben ist es „eine helle, lichtblaue Freude“ und an anderer Stelle schreibt er: „Ich wanderte und wandere“. Carl Seelig gegenüber, seinem späteren Vormund und Förderer seiner Werke, bekennt der fast Sechzigjährige, dass er immer eine Bewunderung für die Schönheit der Landstraßen gehabt habe. Er war einer, der sich unterwegs einiges dachte und zurechtlegte, das später, wenn er wieder in seinem spärlich möblierten Zimmer saß, Eingang fand in sein dichterisches Schaffen. Weiterlesen

Neue Schuhe

Neue Schuhe
Vor Bashôs Hütte in Tokyo

Heute habe ich mir ein Paar neue Schuhe gekauft und sie mitten ins Wohnzimmer gestellt. Halbhohe Stiefeletten zum Schnüren, aus weichem braunem Leder, das wie zerknittert aussieht, glänzende Spitzen, rahmengenäht. Wunderbare Schuhe. Ganz nach meinem Geschmack. Die Schuhe, so mitten im Wohnzimmer, haben wie ein Gedicht ausgesehen, ein Gedicht von Gottfried Benn oder Rainer Maria Rilke. Wobei Rilke Knöpfstiefel getragen haben muss, worum ich ihn beneide. Auf dem Heimweg war mir klar geworden, dass es auch anders ginge. Weiterlesen

Bücherdandy

Mit fünfzehn verließ ich die Schule. Acht Jahre habe ich es da ausgehalten. Ich war ein Halbstarker und mochte die Beatles. Ich mochte ihre laute, freche Musik, den unbekümmerten Leichtsinn mit dem sie die Dinge anpackten, ihre Frisuren, die Kleider. Sie standen für einen neuen Lebensstil. John Lennon und der Sioux-Indianer Crazy Horse waren meine Idole.
Der eine, weil er der ganzen Welt seinen nackten Hintern gezeigt hat und der andere, weil er sich geweigert hat, das freie Umherstreifen auf den Plains zugunsten eines sesshaften Daseins in der Welt der Weissen aufzugeben. Weiterlesen