1873 lässt ein neunzehnjähriger Gymnasiast seine Jugendgedichte unter dem merkwürdigen Titel Une Saison en Enfer drucken. Er verschickt ein paar Exemplare an ehemalige Schulkameraden und an Freunde in Paris. Der Rest der Auflage bleibt bei der Druckerei liegen. Er scheint augenblicklich das Interesse an der Sache verloren zu haben.
Warum hörte Arthur Rimbaud in einem Alter auf zu schreiben, in dem andere die ersten zaghaften Gedanken an eine Laufbahn als Schriftsteller wagen, um fortan ein Leben als Vagabund und Händler zu bestreiten?
In der Regel wird der Fußgänger ignoriert, wenn man vom Dichter spricht. Der Mythos Rimbaud schließt den Wanderer aus. Man hält sich ausschließlich an die jugendliche Trunkenheit seiner Dichtung. Und an die eigene Verständnislosigkeit.
Der französische Dichter Yves Bonnefoy weigerte sich, „Rimbauds Leben zwischen dem 21. und 38. Lebensjahr nachzuforschen“. Er will nichts vom Wanderer wissen und vom Händler schon gar nicht. Wie kann er da den Dichter verstehen? Der französische Arzt und Schriftsteller Victor Segalen, der 1904 in Djibouti und Aden den Spuren Rimbauds nachging, sieht eine Mauer zwischen dem Autor der Illuminations und dem Händler und Karawanentreiber, wie sie höher und undurchdringlicher nicht sein könne, der Dichter und sein „feindlicher Bruder“. Michel Butor, der eine Wissenschaft der menschlichen Ortsveränderungen entwickelt hat, die er Iterologie nennt, spricht in seinem Essay über Rimbaud vom Abwesenden, wenn er vom Vagabunden spricht.
Hingegen sehen die Übersetzer Hans Therre und Rainer G. Schmidt in Rimbauds späterem Leben „nicht die Verwerfung seiner früheren Existenz, sondern ihre Verlagerung“, Poesie und Wanderung gehören in ihren Augen zusammen, eine Lebensgeschichte enthalte immer auch eine geographische Komponente. Auch Kenneth White trennt Rimbauds poetische Visionen nicht von seiner Unrast. In seinen Augen zeugen Rimbauds Aufbrüche von einer starken Vitalität und der Fähigkeit, allen Widrigkeiten zu trotzen und sich nie geschlagen zu geben. Sie symbolisieren die Freiheit eines Menschen, der alle Grenzen überschreiten und in Bewegung bleiben wollte, der ein Leben lang überzeugt war, dass es ihm unmöglich sei, sich irgendwo niederzulassen und sesshaft zu werden, er will frei und unabhängig bleiben und reisen wie es ihm beliebt.
„Ich bin ein Fußgänger, und weiter nichts“, behauptet dieser verrückte Komet der französischen Literatur von sich selbst. Und was für ein Fußgänger er war! Diese Gewaltmärsche gehen ins Berserkerhafte. Man muss verdammt gut zu Fuß sein, will man mit ihm Schritt halten. Wie viele Stiefel mag er auf den Landstraßen zerschlissen haben?
Doch erst einmal will Rimbaud Seher sein, ein Kind der Sonne, ein Dichter, der das Feuer vom Himmel holt.
Die ersten Wanderungen des brillanten Gymnasiasten und Büchernarren, der in der Schule zahlreiche Preise einheimst, sind Fluchten aus der stickigen Enge seiner Heimatstadt Charleville, weg von der Abhängigkeit seiner gebieterischen Mutter.
„Meine Geburtsstadt ist den anderen kleinen Provinznestern an Idiotie überlegen“, schreibt der Sechzehnjährige an Georges Izambard, seinem Schullehrer und Freund. Alles ist diesem jungen Rebell lästig und zuwider, die gewöhnlichen engstirnigen Leute, ihre ganze bigotte Spießbürgerlichkeit, die Schule, die Kirche. Er ist maßlos, leidenschaftlich, auch in seiner Aufsässigkeit. Und er verfolgt eine doppelte Spur: da sind die Fahrten ins Land des Geistes und der Dichtung, die Suche nach den „wilden Quellen“ des Lebens, denn sein Durst ist höllisch, und dann die Trips nach Paris, Brüssel, London, Italien, quer durch Europa.
Am 29. August 1870 haut er das erste Mal ab, nach Paris, keine sechzehn Jahre alt. Die Mutter weiß nichts davon. Er fährt schwarz, wird erwischt und in Paris ins Gefängnis gesteckt. Man spediert ihn zurück nach Charleville. Für ihn ist klar: Er wird noch oft davonlaufen!
Vagabundieren ist für ihn ein Weg der Selbstinitiation! Er erwandert sich seine dichterische Erfahrung und lässt sie zugleich hinter sich. Am 13.5.1871 schreibt er Izambard: „Ich will Dichter sein, und ich arbeite daran, mich sehend zu machen: Sie werden überhaupt nichts verstehen, und ich kann es Ihnen kaum begreiflich machen. Es geht darum, durch die Ausschweifung aller Sinne zum Unbekannten zu gelangen. Die Leiden sind unermesslich, aber man muss stark sein, und ich habe mich als Dichter erkannt. Das ist ganz und gar nicht mein Fehler. Es ist falsch zu sagen: Ich denke. Man müsste sagen: es denkt mich – Verzeihen sie das Wortspiel. Ich ist ein Anderer.“
Am Anfang sind die Träume und das Wandern noch nah beisammen. Er liebt die Natur, die Wege sind ohne Hindernisse, das Wandern leicht, die Worte fließen nur so aus ihm heraus. Er will „mit Hilfe von Rhythmen des Blutes ein dichterisches Wort erfinden“, der Rhythmus des Blutes wird durch das Gehen in Bewegung gebracht.
Er schickt drei Gedichte zur Beurteilung an den Dichter Théodore Banville, darunter Sensation, sein erstes Vagabundengedicht. Er ist hingerissen von der Idee, die Richtungen im Leben selber zu bestimmen.
„Weit will ich gehen, sehr weit, wie ein Zigeunerkind,
Durch die Natur, – so glücklich wie mit einer Frau.“
In Une Saison en Enfer rühmt er sich, Besitzer aller möglichen Landschaften zu sein, er träumt von Kreuzzügen und Entdeckungsreisen, „über die noch keiner berichtet hat“. In den Bildern seiner Dichtung werden die zukünftigen Reisen sichtbar, die Städte, durch die er gehen wird, die Routen durch den Orient und an die Ostküste Afrikas, die Meere und die Steilufer.
„Und ich finde mich an der armorikanischen Küste. Wie die Städte sich am Abend entzünden! Mein Tagwerk ist vollbracht. Ich verlasse Europa. Die Luft des Meeres wird mir die Lunge verbrennen; die einsamen Himmelsstriche werden mir die Haut beizen.“
Ich überspringe die Geschichte über die komplizierte und intensive Freundschaft mit Paul Verlaine. Aber, es ist Verlaine gewesen, der Rimbaud in einem Brief als L’Homme aux Semelles de Vent bezeichnet hat, den Mann mit den Sohlen aus Wind.
Mit neunzehn beginnt Rimbauds exzessives Wanderleben. Meist ist er zu Fuß unterwegs. Im März 1874 reist er nach London, im Juli weiter nach Schottland, um dort eine Stelle anzutreten, im November ist er in Reading, zu Beginn des Winters zurück in Charleville. Im Februar des Folgejahres reist er zu Sprachstudien nach Stuttgart, im Mai wandert er durch Württemberg und die Schweiz nach Italien, in Mailand wird er krank. Auf dem Weg nach Brindisi, wo er sich in den Orient einschiffen will, holt er sich einen akuten Sonnenstich, dann innere Entzündungen vor Überanstrengung. Der französische Konsul in Livorno veranlasst seine Rückschaffung. Im August ist er in Paris, den Winter verbringt er abermals in Charleville. Im April 1876 bricht er nach Wien auf, wird dort ausgeraubt und von den Behörden weggewiesen, weil er kein Geld besitzt, er kehrt zu Fuß nach Charleville zurück. Am 10. Juni 1876 schifft er sich als Freiwilliger der holländischen Kolonialarmee auf der Prins Oranje ein. Er wird nach Samarang im Inneren von Java verpflichtet, desertiert, irrt durch den Busch nach Batavia, heuert auf einem Frachter nach Liverpool an, der ihn ums Kap der guten Hoffnung zurück nach Europa bringt, am 9. Dezember trifft er in Charleville ein. Im Frühjahr 1877 stellt er in Bremen den Antrag, um in die amerikanische Armee aufgenommen zu werden, wird abgewiesen; über Hamburg, Kopenhagen geht er zu Fuß nach Stockholm, tritt dort eine Stelle als Privatlehrer an, im September ist er als Hafenarbeiter in Marseille tätig. Er bricht nach Alexandria auf, erkrankt unterwegs und wird in Civitavecchia ausgeschifft, er besucht Rom und kehrt heim nach Charleville. Im Oktober geht er zu Fuß über die Vogesen und über den verschneiten Gotthardpass nach Genua. Der Brief, den er am 17. November 1878 an seine Familie schreibt, klingt wie ein Stück aus Une Saison en Enfer:
„Die Straße, die kaum sechs Meter breit ist, ist auf der ganzen Länge rechts von einer an die zwei Meter hohen Schneelage verschüttet, die alle Augenblicke einen Querriegel von ein Meter Höhe auf die Straße vorschiebt, der bei grässlichem Graupelwind durchbrochen werden muss. Das sieht so aus: kein Schatten mehr oben, unten oder rundum, obwohl man mitten unter ungeheuren Dingen ist; keine Straße mehr, kein Abgrund, keine Schlucht, auch kein Himmel; nichts als Weiß kann wähnen, fühlen, sehen oder nicht sehen, denn unmöglich kann man die Augen von der weißen Eintönigkeit heben, die man für die Mitte des Pfades hält, unmöglich kann man die Nase in einen derartig scheidenden Nordost heben, wo Wimpern, und Schnurrbart Eiszapfen werden, das Ohr frostzerbissen, der Hals angeschwollen ist! Ohne den Schatten, den man selbst wirft, und ohne die Telegraphenpfähle, die die mutmaßliche Straße begleiten, wäre man hilflos wie ein Spatz im finsteren Backofen.“
Er schifft sich nach Alexandria ein, reist nach Zypern weiter, arbeitet da bis Juni 1879 als Aufseher in einem Steinbruch. Hitze, Flöhe, Mücken und Streitigkeiten mit den Arbeitern setzen ihm zu. Infolge einer Erkrankung Rückkehr nach Charleville. Im Frühjahr 1880 Aufbruch nach Ägypten und wiederum reist er weiter nach Zypern, wo er eine Arbeit als Aufseher beim Bau des Palais des englischen Gouverneurs auf dem Berg Troodos findet. Am 25. August 1880 schreibt er an seine Familie – aus Aden. Er hat die Stelle auf dem Berg Troodos nach einem Streit mit dem Ingenieur und dem Zahlmeister aufgegeben, außerdem hat er das feuchte Klima schlecht vertragen. Vergeblich klappert er die Häfen am Roten Meer nach Arbeit ab, dazu die sengende Hitze. In Hodeida bricht er zusammen. Der französische Händler Trebuchet pflegt den erschöpften Landsmann, aus Mitleid. Mit einem Empfehlungsschreiben schickt er ihn weiter nach Aden, zu seinen Kollegen Alfred Bardey der Agentur Viannay, Bardey & Co.
Der gleichalterige Alfred Bardey stellt Rimbaud ein. Fünf Jahre wird die Zusammenarbeit dauern. Bardey übergibt ihm die Leitung des Kaffeesortierens. Doch dieser ruhelose Geist will weiterzuziehen, die afrikanische Küste entlang – am liebsten nach Sansibar. Bardey möchte seinen gut qualifizierten Angestellten, der sich durch rasche Auffassungsgabe und eine ungewöhnliche Intelligenz auszeichnet, nicht verlieren und offeriert ihm, die Leitung der Kamelkarawanen zu übernehmen, die die in Harar erworbene Ware hinunter ans Rote Meer bringen. Eine Arbeit, die Rimbauds Temperament entspricht: Kamele auswählen, Karawanen zusammenstellen, den Transport organisieren und begleiten, die Einschiffung der Ware in Zeilah bewerkstelligen. Die Kamelkarawane braucht etwa zwanzig Tage, um die dreihundert Kilometer zurückzulegen. Die Strecke führt mehrheitlich durch Wüstengebiet, das von Dornen und Sträuchern versetzt ist. Rimbauds Begleiter sind Krieger der Somali-Issa oder der Galla; halbnackte Männer, bewaffnet mit Lanzen, Schwertern und Schildern aus Rohleder. Es werden Kaffee, Häute, Gummi und Elfenbein ans Rote Meer geschafft.
In den kommenden neun Jahren wandert er unermüdlich durch den Hogan, der das Rote Meer von Harar im abessinischen Hochland trennt. Zeitweilig leitet er auch die Agentur in Harar. Rimbaud hofft, mit dem Handel so viel Geld zu machen, dass er fortan ein Nomadenleben führen kann, frei von finanziellen Sorgen. Die Arbeit ist eine Qual, reine Plackerei, und die Geschäfte laufen nicht immer so glänzend wie er es sich wünscht. Vorläufig wird sein Leben weiterhin aus Handelskarawanen und der Gefahr bestehen, zwischen rivalisierende Stämme zu geraten. Er denkt ans Heiraten, aber es sollte jemand sein, der ihn auf seinen Wanderungen begleitet. Er lernt Arabisch, Somalisch, Äthiopisch und verschiedene Dialekte der Region. Obwohl Alfred Bardey seinen Angestellten außerordentlich schätzt, findet er ihn zugleich etwas sonderbar. Rimbaud gleicht überhaupt nicht den Händlern, Forschern und Abenteuern, die damals in Äthiopien unterwegs waren. Aufgrund seiner Mischung aus Kälte und Ironie, die er ausstrahlte, gehen viele auf Distanz zu ihm, sein bissiges und spöttisches Wesen muss verletzend gewesen sein.
Rimbaud denkt nicht ans Heimkommen. Am 15. Januar 1885 schreibt er aus Harar: „Denkt auf keinen Fall, ich hätte allmählich weniger Lust dazu, durch die Welt zu streifen. Im Gegenteil, wenn ich die Mittel zum Reisen hätte, ohne wegen Arbeit und Lebensunterhalt an einem bestimmten Ort leben zu müssen, würde man mich keine zwei Monate am selben Platz finden. Die Welt ist groß und voll herrlicher Länder, das Dasein von tausend Menschen würde nicht genügen, um sie alle zu besuchen. Aber andererseits möchte ich nicht im Elend herumvagabundieren.“
Er bewahrt größtes Stillschweigen über die Gründe, die ihn einst bewogen haben, die Dichtung aufzugeben, seine Handelspartner haben nie etwas über seine literarischen Ambitionen erfahren. Jetzt will er ein geographisch-ethnologisches Buch über den Harar schreiben. 1883 macht er als erster Europäer Erkundigungsreisen nach Bubassa. Er kommt krank und erschöpft von dieser Reise zurück. Für die Société de géographie in Paris schreibt er Artikel über das Gebiet von Ogaden, das Buchprojekt verläuft im Sand.
Ende April 1885 liquidiert Alfred Bardey seine Gesellschaft, er bezahlt Rimbaud den Lohn noch bis Ende Juli. Über ein halbes Jahr bleibt er in Aden. Er wird unruhig, das sesshafte Leben behagt ihm nicht. Er braucht Bewegung, Herausforderungen, andere Horizonte. Mit Pierre Labatut, einem Abenteuer und Waffenschieber, will er eine Lieferung von ein paar tausend ausgedienten Gewehren dem König Menelik II. verhökern. Rimbaud steckt seine Ersparnisse in das Geschäft. Die französische Kolonialverwaltung hat Waffenlieferungen nach Schoa verboten, Rimbaud muss mehr als ein Jahr warten, bis er endlich aufbrechen kann. Sein Compagnon erkrankt an Krebs und stirbt kurze Zeit später in Frankreich. Paul Soleillet, mit dem er sich danach zusammentut, stirbt in Aden an einem Schlaganfall und von einem dritten Franzosen wird gemeldet, dass die Dankali ihn umgebracht haben.
Die Expedition nach Schoa dauert mehrere Monate, Rimbaud wird von Menelik II. übers Ohr gehauen, der König ist nicht bereit, den vereinbarten Preis für die veralteten Gewehre zu zahlen, auf einem Feldzug gegen die Ägypter hat er modernere Waffen erbeutet. Außerdem hat Rimbaud die Schuldner von Labatut am Hals. Zur Erholung reist er von Obock nach Kairo. Rheumatismus in Armen und Beinen plagen ihn. Er hat Schmerzen im rechten Knie. Le Bosphore Egyptien veröffentlicht den Bericht über seine Expedition zu Menelik II, der später auch in Petermanns Geographischen Mitteilungen gedruckt wird.
Er führt nochmals einen illegalen Waffentransport nach Schoa durch, dieses Mal für einen bedeutenden Waffenhändler der somalischen Küste, danach gründet er in Harar eine eigene Handelsniederlassung. Aufgrund von Zeugenaussagen von Leuten, die ihn gekannt haben, muss man annehmen, dass Rimbaud kein besonders erfolgreicher Händler gewesen ist. Außerdem scheint er einem Hang zum Geiz gehabt zu haben.
Und dann dieses Ende!
Am 20. Februar 1891 schreibt er an seine Mama: „Mir geht es schlecht. Wenigstens habe ich Krampfadern am rechten Knie, die mir viel Beschwerden machen. Das ist es eben, was einem die Plackerei in dieser traurigen Gegend bringt.“ Er bittet um Stützstrümpfe, die aber nichts nützen, als sie endlich eintreffen.
Gelenkentzündung am rechten Knie, Schwellungen, Lähmung des Oberschenkels scheinen das Ergebnis seiner erschöpfenden Wanderungen zu sein; meistens trägt er aus Misstrauen und Angst vor Verlusten sein gesamtes Vermögen (8 Kilogramm Goldthaler) in einem Gürtel mit sich herum.
Am 4. April 1891 verlässt er Harar. Er wird in einer selbstgezimmerten Sänfte dreihundert Kilometer weit durch die Wüste nach Zeilah getragen. Wie oft ist er die gleiche Strecke zu Fuß oder zu Pferd gegangen, wenn er seine Warenkarawanen an den Golf begleitete? Er kann nicht mehr gehen und muss an Bord des Schiffes gehievt werden, das ihn nach Aden bringt. Der Arzt im europäischen Hospital rät Rimbaud zur dringenden Rückkehr nach Frankreich, er fühlt sich angesichts der riesigen Geschwulst machtlos. Hospitalisierung in Marseille, Beinamputation, kurze Hoffnung auf Besserung. Er lässt sich ein Holzbein machen. Am 10. Juli 1891 schreibt er an Isabelle, seine Schwester: „ Ich fange also wieder mit Krücken an. Wie verbitternd, ermüdend und traurig, wenn ich an all meine früheren Reisen denke und wie tätig ich vor fünf Monaten noch war! Wo sind die Bergüberquerungen, die Gewaltritte, die Streifzüge, die Wüsten, Flüsse, Meere? Und jetzt das Dasein eines beinlosen Bettlers! Denn ich fange an zu begreifen, dass die Krücken, Holzbeine und Gelenkbeine nichts als ein Haufen Schwindel sind und dass man mit alledem nicht weiter kommt als sich elend hinzuschleppen, ohne je etwas tun zu können. Und ich hatte gerade beschlossen, diesen Sommer nach Frankreich zurückzukehren, um mich zu verheiraten! Gute Nacht Heirat, gute Nacht Familie, gute Nacht Zukunft! Mein Leben ist vorbei, ich bloß noch ein unbeweglicher Stumpf.“
Er reist mit der Bahn auf das Gut seiner Familie in Roche bei Charleville, am 23. August kehrt er nach Marseille zurück, sein Ziel heißt Aden. Erneute Einlieferung ins Krankenhaus Mariä Empfängnis. Isabelle begleitet ihn und bleibt die kommenden Wochen an seiner Seite. Es gibt keine Hoffnung mehr. Das krebsartige Leiden, das die Beinamputation notwendig gemacht hatte, hat das Knochenmark angegriffen, eine riesige Geschwulst zeigt sich in der Leistengegend. Der Wanderer Arthur Rimbaud stirbt am 10. November 1891. Am 20. Oktober ist er siebenunddreißig Jahre alt geworden.