Die alten Pfade oder der letzte Beatnik

An der Kleinverlagsmesse in Zürich hatte ich mir ein paar Nummern von NARACHAN gekauft, eine Zeitschrift für Ethnopoesie, die Thomas Kaiser herausgab. „Narachan heißt Schlangenplatz, ein keltisches Wort“, stand im Editorial. Der Untertitel der Zeitschrift lautete: „Lieder, Notierungen, Texte.“
Darin gab es auch ein Interview, das Peter Barry Chowka 1977 mit Gary Snyder geführt hatte.
Die Intensität des Gesprächs hat mich sofort für Snyder eingenommen. Ich erhielt ein starkes Bild von diesem Dichter, Zen-Buddhisten, Wanderer, Ethnologen, Kenner indianischer Gesänge und Mythen,  Umweltaktivisten, und schamanischen Intellektuellen.
Beim Lesen ist eine geistige Energie und Konzentration zu spüren, die direkt aufs Leben überspringt. Seine spontanen Antworten zeigen, da spricht jemand, der über einen lebhaften, sensiblen Verstand, breite Erfahrung und großes Wissen verfügt. Er scheint eine humorvolle Einstellung zu den Dingen zu haben und wenig persönlichen Ballast mit sich herumzuschleppen. Auf Fotos sieht er mit seinen schmalen Augen und dem dünnen Bart wie ein taoistischer Einsiedler aus. Zugleich wirkt er robust und wetterfest. Die praktischen Dinge nehmen in seinem Leben einen genauso wichtigen Platz wie die geistigen ein. Er ist überzeugt, es sei weniger entfremdend, mit Körper und Händen im Maschinenraum eines Tankers auf See zu arbeiten, als zu Hause zu hocken, ständig zu telefonieren oder auf einer Tastatur herumzudrücken.

Gary Snyder ist der letzte noch lebende Dichter der „Beat Generation“, er wird in diesem Jahr dreiundneunzig Jahre alt. Er war mit Allen Ginsberg und Jack Kerouac befreundet. Kerouac war so begeistert vom acht Jahre jüngeren Bergwanderer und Zen-Buddhisten, dass er ihn zum Vorbild von Japhy Ryder machte, dem Helden im Roman The Dharma Bums (dt. Die Dharmajäger). Japhy Ryder bildet den Gegenpol zu Dean Moriarty, dem Absturzhelden und Höllenengel aus On the Road (dt. Unterwegs). In den Augen von Gary Snyder braucht ein Dichter nicht zwingend dem romantischen Bild des verrückten und selbstzerstörerischen Genies zu entsprechen. Bei Kerouac erkannte er früh „eine mit Händen greifende Aura von Ruhm und Tod“.
Gary Snyder hat mit seinen kraftvollen Naturgedichten das Hinterland in die diese urbane Bewegung gebracht.

Es ist erstaunlich, dass man im deutschsprachigen Raum einen Poeten dieses Kalibers kaum zur Kenntnis nimmt, während er in den Vereinigten Staaten breite Bekanntheit genießt. Schildkröteninsel, wofür er 1975 den Pulitzer-Preis erhalten hat, ist einer der bestverkauften Gedichtbände in den USA. Eigentlich hätte 2016 der Literaturnobelpreis ihm und nicht Bob Dylan gehört, von dem es praktisch nichts zu lesen gibt. Aber es ist Gary Snyder, der das Lied (Rock-Song, Volkslied, Ballade) zur Dichtung zählt, die Dichtung hätte sich aus der oralen Tradition des Liedes entwickelt.

Gary Snyder, am 8. Mai 1930 in San Francisco geboren, wuchs auf einer Farm in der Nähe von Seattle auf. Er ging aufs Reed-College in Portland, Oregon, studierte Anthropologie an der Indiana Universität und in Berkeley Sinologie und Japanologie. Neben seinem Studium arbeitete Snyder als Feuerwächter in den Wäldern von Washington, Holzfäller in Oregon, Wegarbeiter im Yosemite-Park und Maschinist auf einem Öltanker, der zwischen San Francisco und dem Persischen-Golf verkehrte.
Während sich andere amerikanische Autoren primär an der europäischen Literatur orientieren, blickte er über den Pazifik nach Asien: Buddhismus, chinesische und japanische Dichtung und Philosophie sind wichtige Wegmarken in seinem geistigen Terrain. Als Student übersetzte er die rauen und lebendigen Gedichte von Han Shan (Kalter Berg), dem chinesischen Dichter aus der Tang Zeit. Hans Shan und sein Kumpel Shih-Te mit ihrem struppigen Haar, ihrer Verrücktheit und dem wilden Lachen wurden zu einem Lieblingsthema der Zen-Maler. Mit Hans Shan hat der Dichter sich selbst, seine Heimat Kalter Berg und sein Geisteszustand gemeint. Seine Gedichte hatte er auf Felsen gepinselt, das Essen erbettelte er sich bei den Mönchen im Kloster am Fuß des Berges.

Einmal am Kalten Berg, hören alle Kümmernisse auf –
Kein wirres, unentschiedenes Denken mehr.
Faul kritzle ich Gedichte an die Felsenklippe,
Nehm an, was kommt, wie ein treibendes Boot. 

In den fünfziger Jahren gehörte Gary Snyder mit Lawrence Ferlinghetti, Kenneth Rexroth, Philip Whalen, Allen Ginsberg und Michael McClure zur „San Francisco Renaissance of Poetry“, er nahm im Herbst 1955 an der legendären „Six-Gallery-Reading“ teil. Die Beat-Dichter holten die Lyrik aus ihrer abgehobenen akademischen Ecke und brachten sie mittels Lesungen unter die Leute.
Als 1957 Jack Kerouacs On the Road erschien und der Medienrummel um die Beatniks so richtig losging, bekam Gary Snyder nichts davon mit. Er war in Japan und studierte in Kyoto in den Klöstern Shokokuji und Daitokuji Zen-Buddhismus. Abgesehen von einigen längeren Unterbrüchen, blieb er da bis zum Tode seines Lehrers Oda Sesso Roshi im Jahre 1966. Danach arbeitete er eine Weile in den Aschrams des japanischen Dichters Nanao Sakaki.

1968 kehrte er in die USA zurück. Es war die Zeit der Rassenaufstände, Studentenunruhen, Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, der Hippieproteste gegen den American Way of Life. Die sozialen Aussteiger hatten Hochsaison, zahlreiche Landkommunen entstanden.
In San Francisco beteiligte sich Gary Snyder an den Aktionen rund um den People’s Park in Berkeley. Mit Alan Watts, Timothey Leary und Allen Ginsberg nahm er am „Human Be-in“ teil, einem Hearing unter dem Motto „eine Versammlung der Stämme“. Hier wurden die „Träume und Visionen einer ganzen Generation zum ersten Mal mit Entschiedenheit als konkret und richtungsweisend formuliert“ (Ronald Steckel). Snyder wurde mit seinen spirituellen Erfahrungen und ökologischen Ideen zu einer wichtigen Symbolfigur der amerikanischen Gegenkultur.

In den frühen siebziger Jahren wurde die Umweltverschmutzung in den westlichen Industriegesellschaften zu einer offensichtlichen Bedrohung.
1969 veröffentlichte Gary Snyder ein Manifest für eine ökologische Gesellschaft. Frappierend, wie wenig veraltet die darin enthaltenen Überlegungen sind. Noch immer sind fossile Brennstoffe und Chemikalien zwei der Hauptprobleme für die Umwelt.
Snyder fragte sich: Wie kann das zerstörerische wirtschaftliche Wachstum der industriell technologischen Zivilisation in ein Wachstum auf eine andere Ebene, in eine andere Dimension transponiert werden?
Seine Vision „ist ein Planet, auf dem die menschliche Bevölkerung harmonisch und dynamisch lebt, mit der Hilfe hochentwickelter und unaufdringlicher Technologien in einer Umwelt, die „natürlich“ gelassen wird.“ Er glaubt, die wahren Werte liegen in der Natur, der Familie und überschaubaren regionalen Gemeinschaften. Er fordert eine Null-Wachstums-Ökonomie, dafür kulturelles und geistiges Wachstum; Maßnahmen gegen die Überbevölkerung; saubere Energiequellen (Sonne/Wind/Gezeiten), Energiesparen („Wahrer Überfluss besteht darin, nichts zu benötigen.“ / „Mehr tun mit weniger Energie“); die Fülle und Reichhaltigkeit der biologischen Substanz (Artenvielfalt) erhalten.
Damals gab es einen gewissen Optimismus, dass eine Abkehr noch möglich wäre. Aber abgesehen von einigen partikulären Verbesserungen, hat sich dieser Prozess – vor allem durch die Globalisierung – in den letzten fünfzig Jahren um ein vielfaches beschleunigt. Wir können eine totale Ökonomisierung und Kybernetisierung des menschlichen Lebens feststellen.

Was für Hans Shan der Kalte Berg war, ist für Gary Snyder die Nordwestküste Amerikas. Anfangs der 1970er Jahre ließ er sich mit seiner Familie und ein paar Freunden in der Sierra Nevada, Nordkalifornien nieder. Nach Jahren des Suchens und Reisens, grub er sich im Hinterland ein.
Das Gleichgewicht zwischen menschlicher Gemeinschaft und Natur bilden den Brennpunkt in seinem Buch The Real Work, 1980 erschienen, (dt. Landschaften des Bewusstseins). In den darin enthaltenen Interviews (auch jenes mit Peter Barry Chowka) und Reden betont er, wie wichtig es sei, sich niederzulassen, ein Gefühl für einen Ort zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen.
Wenn Gary Snyder von Gemeinschaften spricht, hat er nicht unsere komplexen technologischen Industriegesellschaften mit ihren komplizierten sozialen Ordnungen im Auge, in denen der Einzelne ein isoliertes Fragment ist. Er denkt an stabile regionale Gemeinschaften, in denen die Sorge für den Ort und seine Umwelt im Vordergrund stehen. Und in denen Tiere, Pflanzen, Flüsse und Berge ein ebenbürtiger Teil der Gemeinschaft sind.

„Als junger Mensch fühlte ich eine unmittelbare, intuitive und tiefe Verbundenheit mit der natürlichen Welt, die mich niemand gelehrt hatte“, erzählt Gary Snyder im Interview mit Peter Barry Chowka. Diese Wahrnehmung der natürlichen Welt habe ihn schon früh für die Widersprüche sensibilisiert, die er im Staat Washington beobachten konnte: Ausbeutung der Natur, Kahlschläge durch Holzfällergesellschaften, Umweltverschmutzung. Bereits 1960, in seinem zweiten Gedichtband, Myths & Text  (dt. Mythen & Texte) thematisierte er diese Dinge.
Er wollte „tiefer ins Unterholz eindringen“ und eine größere Genauigkeit von der Natur haben als sein Vater sie hatte, der nur 15 Baumarten kannte.
Die Wildnis, in die er als Junge einen so tiefen Blick getan hatte, will er als Erwachsener um jeden Preis bewahren, ihr Reichtum, die Vielfalt der Arten. Er ist überzeugt, dass in der Natur mehr Wissen gespeichert ist, als der menschliche Verstand je erfassen kann, vor allem in den alten Ökosystemen der Urwälder. Dieser animistisch anmutenden Empfindung für die Natur hat er ein fundiertes Wissen in Ökologie und Biologie unterlegt.

„Als Dichter bewahre ich die archaischsten Werte der Erde: sie reichen zurück bis in die späte Steinzeit: Die Fruchtbarkeit des Bodens, die Magie der Tiere, die Geist-Vision in der Einsamkeit, die erschütternde Initiation und Wiedergeburt; die Liebe und die Ekstase des Tanzes, die gemeinsame Arbeit des Stammes.“

Der Dichter, der da als „Mythen-Handhaber-Heiler“ spricht, will mit seiner Poesie an die „großen, unterirdischen, archetypischen Strömungen der Menschheit anknüpfen“, um ihnen wieder zu einer lebendigen Wirklichkeit zu verhelfen. Das Primitive ist das Ursprüngliche: Ursprüngliche Natur, ursprüngliches Bewusstsein, ursprüngliche Seinsweise. Snyder ist überzeugt, dass es eine unsichtbare Verbindung zwischen der Wildnis und dem Unterbewussten des Menschen gibt. Eine Koexistenz von Kultur und Wildnis führe zur Ganzheit von Körper und Psyche und zur Balance von bewussten und unbewussten Kräften.
In seinen Gedichten integriert er oft Motive aus den Liedern und Legenden der Indigenen Nordamerikas. Er fordert, den Namen ‚Amerika‘ aufzugeben und durch ‚Schildkröteninsel‘ zu ersetzen. Dieser „alte/neue Name für ‚Nordamerika‘, entstanden aus vielen Schöpfungsmythen der Völker, die hier seit Jahrtausenden gelebt haben; in den letzten Jahren von einigen von ihnen wiederverwendet für diesen Kontinent.“ Es ist die Vorstellung, dass die Erde oder der Kosmos von einer Schildkröte oder Schlange-der-Ewigkeit getragen wird.
Auch wenn er sich im Klaren darüber ist, dass seine Vision von einer in der Natur integrierten Stammeskultur kaum auf ein großes Echo stößt, schreckt er nicht davor zurück, sie in öffentlichen Debatten zur Diskussion zu stellen.
In den alten, über Jahrtausende hinweg stabil gebliebenen Kulturen der Jagd- und Sammlervölker und in den frühen bäuerischen Gesellschaften sieht er eine Alternative zu der gegenwärtigen hochtechnisierten und globalisierten Zivilisation, die aus „Energie, Überfluss, Tempo und Wahnsinn“ bestehe und die ihm aufgrund der schnelllebigen Zeit und dem verschwenderischen Umgang mit den natürlichen Ressourcen anormal erscheint.

Die Frage ‚wohin gehe ich’ hat für Gary Snyder einen viel größeren Stellenwert als die Frage ‚wer bin ich’. Er will die Frage nach dem Wohin wörtlich verstanden wissen.
Pfade und Wege haben eine multiplexe Bedeutung, denn sie sind es, die einem irgendwohin bringen. In seinem Buch Practice of Wild (dt. Lektionen der Wildnis) schreibt er, dass die Metaphern von Pfad und Weg auf jene Zeit zurückgehen, als der Mensch noch zu Fuß oder zu Pferd unterwegs war und die ganze menschliche Welt ein Netzwerk von Pfaden bildete, ähnlich dem Geflecht aus Linien, das durch die Migrationen der wilden Gänse und anderer Zugvögel entsteht. Auf jeder Wanderung hieße es erneut, den richtigen Pfad durch Sümpfe, Wälder oder Gebirge zu finden, damit man nicht aus dem Tritt gerät. Wege erfordern eine praktische Weisheit, da sie sich manchmal mitten in der Wildnis verlieren, im Dickicht oder auf Granithöhen, wo es nur nackten Fels gibt.
„Das Gehen ist das große Abenteuer, die erste Meditation, eine Übung der Herzlichkeit und der Seele – die ursprüngliche Erfahrung des Menschen.“
Im Wechselspiel zwischen Atem und Gang will er zu einem klaren Bewusstsein kommen, zu einer Entsprechung zwischen innerer und äußerer Landschaft (Unbewusstem und Wildnis). Gehen ist für ihn ein Reinigungsprozess, um den „Staub vom Geist“ wegzuwischen und den Müll dieser Zivilisation wieder loszuwerden, der sich unwillkürlich in einem ansammelt: Worte, Abstraktionen, Lärm, Dummheit.

Aus der Spur
Es steht uns frei, unseren eigenen Weg zu finden
Über Felsen – zwischen den Bäumen
Da, wo keine Pfade sind. Der Gebirgskamm und der Wald
Bieten sich unseren Augen und Füssen dar
Und die entscheiden selbst
Mit ihrer alten praktischen Weisheit
Wohin das Wilde uns bringen wird. Wir waren
Schon einmal hier. Es ist irgendwie vertrauter
Als auf den Pfaden zu gehen, die eine Strecke vorgeben
An die du dich hältst. 

Obwohl Gary Snyder in der Sierra Nevada seinen Platz gefunden hat, gehören Reisen und Wandern weiterhin zu seinen grundlegenden Bedürfnissen.
Viele seiner Gedichte sind auf Reisen und Wanderungen entstanden. Flüchtige Eindrücke, Erkenntnisse, Geistesblitze, Hitch-Haikus. Er versteht es, mit knappen, präzisen Worten das Atmosphärische einer Wanderung wiederzugeben; sein am Zen-Buddhismus geschultes Auge nimmt die Dinge direkt und unvermittelt wahr. Die Gedichte entstanden in der Sierra Nevada, in den Cascades– und den Rocky Mountains, auf amerikanischen Highways, in gottverlassenen Nestern Arizonas oder New Mexicos, auf dem Ozean, in Japan, Alaska, Indien, Australien, Irland, Stockholm. Analog zur chinesischen Dichtung finden wir darin häufig Bezüge zu konkreten Orten, sie bilden so etwas wie Knotenpunkte im Bewusstsein.
So heißt es zum Beispiel in der kurzen Notiz zum Gedicht Es: „Beim Lesen von Blake in einem Kuhstall während eines Taifuns über einer Insel im Ostchinesischen Meer.“
In Der Weg nach Westen, Underground: „Über Zedernholz/geräucherter Lachs/ Wolkentage von Oregon/ die dichten Tannenwälder.“
Unter dem Gedicht Regen in Alleghany ist folgender Eintrag zu finden: „Alleghany California, Heimat der Sixteen-to-One Mine“.
Das Gedicht Wildes Feigenlied wurde in Uluru, in der Nähe von Ayers Rock, Australien geschrieben: „Verwittertes Erdreich wirbelt auf, / wellt aus, hebt sich vom Untergrund, / fest und rot – eine Felsenkuppel – fünf Meilen im Umkreis, / Ayers Rock, Uluru.“
Die Gedichte sind in ihrer Struktur wie Wege angelegt, die offene bildhafte Form, mit den horizontalen und vertikalen Zwischenräumen, den eingerückten Zeilen und den Leerstellen zwischen den Worten, veranschaulichen nicht nur den Rhythmus eines Gedichtes, sondern auch den Raum, den das Gedicht durchwandert.

‚Die wirkliche Arbeit‘ ist ein zentraler Begriff in seinem poetischen und essayistischen Schaffen, denn die Arbeit ist ein Schlüssel unserer Gesellschaft. Seit seinem ersten Buch Riprap, 1959 erschienen, sind viele seiner Gedichte unter dem Einfluss von körperlicher Arbeit entstanden: Die Arbeit als Wegmacher, Holzfäller, Brandwächter, Matrose auf einem Öl-Tanker oder die, die ums Haus herum getan werden muss.
Was ist Arbeit? Wozu ist Arbeit gut? Ist Arbeit überhaupt nötig? Was geschieht, wenn wir arbeiten?
Er mag die Trennung von Arbeit und Freizeit nicht. Er versteht Arbeit als Spiel und als Tanz. In der Tatsache, dass eine ganze Zivilisation versucht, sich vor der Arbeit zu drücken, sieht er etwas Unheilvolles. In seinen Augen ist man dann gleich einer mehrfachen Entfremdung ausgesetzt: Arbeit ist Energie und wer nicht mehr selber arbeiten will, muss fremde Energiequellen oder Ressourcen anstelle der eigenen einsetzen. Man erfährt nicht mehr, was der eigene Körper kann und zu welcher manuellen Geschicklichkeit wir überhaupt fähig sind; die Möglichkeit, die Einheit von Geist und Körper durch die eigene Arbeit zu erfahren, geht verloren. Und wir suchen willkürlich nach einer anderen Beschäftigung, wenn wir nicht mehr arbeiten, das riesige Angebot der Freizeitindustrie widerspiegelt die Tatsache, dass sich eine ganze Gesellschaft vor der Arbeit drückt. Es klingt auch ein Gedanke des Zen mit, eins sein mit der Arbeit, die man tut, egal wie monoton sie ist oder welches soziale Prestige sie haben mag.
In seinem Gedicht Was ein Dichter wissen muss betont er:
„Arbeit, lange trockne Stunden stumpfer Arbeit, die geschluckt &/ gelebt und schließlich geliebt wird“.
Im Band Schildkröteninsel, das ein paar sehr zornige Gedichte enthält, dann eine entspannte Haltung:
„Die wirkliche Arbeit.
Reinigen, seufzen,
vorübergleiten.“

Zum Schluss sei noch der späte Gedichtband erwähnt: Gefahr auf den Gipfeln. Ein melancholisches Buch: Voll Erinnerungen; die Vergänglichkeit der Zeit. („So viele Geschichten von Leidenschaft und Krieg“).
Es gibt nichts Festes im Leben, nur der Wandel, das Keimen, Wachsen, Vergehen, Veränderung, Fließen. Kleine Erinnerungsfetzen, in denen so viel Verborgenes steckt.

Deutschsprachige Übersetzungen von Gary Snyders Bücher sind in den Verlagen Stadtlichter Presse, Berlin, Matthes & Seitz, Berlin und Altaquito-Publikationen, Göttingen zu finden.